Das Ballastwasserprojekt CAVIPURE®
Ballastwasser:
Durch Schiffe verschleppte Organismen führen weltweit zu immensen
wirtschaftlichen Schäden
Schiffe pumpen zur
Stabilisierung des Schiffskörpers jährlich ca. 10 Milliarden Kubikmeter Ballastwasser
zum Gewichtsausgleich in spezielle Tanks und später wieder heraus. Bakterien,
Algen, Krebse, Fische oder andere Lebewesen finden so weltweit Verbreitung,
können einheimische Arten verdrängen oder sogar für den Menschen gefährliche
Krankheiten mit sich bringen und führt weltweit zu Schäden von bis zu 36
Milliarden Euro jährlich. Die Behandlung dieser gigantischen Mengen von
Ballastwasser ist deshalb ein wichtiges Element des Meeresschutzes. Die International Maritime Organisation (IMO), der »Schifffahrtszweig«
der Vereinten Nationen, hat einen Standard definiert, nach dem alle Schiffe bis
2016 eine Ballastwasseranlage betreiben müssen. Damit diese weltweit
verbindlich wird, müssten ihr 30 Staaten beitreten, die 35 Prozent der
weltweiten Handelstonnage repräsentierten. Es wird erwartet, dass dies im Jahre
2013 erreicht sein wird. Bis dahin müssen bis zu 40.000 Schiffe mit
Ballastwasserbehandlungsanlagen ausgerüstet werden.
Vorhaben zur Entwicklung einer neuartigen
Ballastwasseraufbereitungsanlage gestartet:
Ziel des am
01.08.2009 gestarteten Vorhabens ist es, das markt- und wettbewerbsfähige
Ballastwasser-Management-System »cavipure®« zu entwickeln, welches den zur Zeit auf dem Markt verfügbaren Systemen überlegen sein
wird.
Die bisherige Wasseraufbereitung kann nach
mechanischen, physikalischen und chemischen Verfahren unterschieden werden,
wobei eine mechanische Trennung mittels Filter oder Hydrozyklon erfolgt. Dieser
ist eine weitere chemische oder physikalische Behandlung nachgeschaltet, bei der
Mikroorganismen, Viren und Bakterien abgetötet oder in ihrer Abundanz unter
Maximum-Standards reduziert werden. Grobe Partikel über 50μm werden durch
herkömmliche Filter abgetrennt und mit Membranen könnten Mikroorganismen bis
0,2μm abgeschieden werden. Als anschließende physikalische Behandlung
kommen zur Zeit UV-Bestrahlung, Wärmezufuhr oder Ultraschall/Kavitation zum
Einsatz.
»cavipure®
« geht hier andere Wege:
Das weiter zu entwickelnde, bereits
mehrfach patentierte Verfahren stellt eine Schall-Lichtkoppelung für die
Wasseraufbereitung und Wassererhaltung dar, in dem durch verschiedene
hochfrequente Schallquellen physikalische Prozesse hervorgerufen werden, die
chemische Reaktionen zur Folge haben:
Das Zusammenspiel von ultraviolettem
Licht und Ultraschall in einer abgestimmten geometrischen Einheit,
dem Reaktor, stellt die Grundlage für die hohe Effizienz (Kosten, Nutzen,
Gewicht etc.) dieses Verfahrens dar. Systeme dieser Auslegung und
Leistungsfähigkeit sind so bisher nicht kommerziell verfügbar.
Vorteile dieser innovativen Entwicklung
sind:
» die verbesserte Leistungsbilanz und
Umweltverträglichkeit,
» die Erhöhung der Sicherheit an Bord, da keine »aktiven
Substanzen« eingesetzt werden,
» die mindestens einjährige Wartungsfreiheit mit geringen Folgekosten,
» geringer Platzbedarf, da auf Bevorratung von Chemikalien
verzichtet werden kann. Das wird
insbesondere bei nachträglichem Ausrüsten von Schiffen deutlich.
"Die Name des Zuwendungsempfängers wird im Rahmen des
Zukunftsprogramms Wirtschaft (ZPW) des Landes Schleswig-Holstein im
Handlungsfeld „Investitionen in FuE-Infrastrukturen
sowie Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft“ mit Mitteln aus dem
Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) der Europäischen Union
gefördert. In das Zukunftsprogramm Wirtschaft fließen im Zeitraum 2007 – 2013
rund 662,3 Millionen Euro für die wirtschafts- und regionalpolitische Förderung
in Schleswig-Holstein, davon rund 374 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds
für regionale Entwicklung (EFRE), rund 208 Millionen Euro aus der
Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstruktur" (GRW) sowie ergänzende Landesmittel in Höhe von rund
80,3 Millionen Euro.
Die Projektbeteiligten:
1. Medizintechnik Promedt GmbH
http://www.medizintechnik-promedt.de
2. Institut für
Schiffsbetriebsforschung (ISF)
an der Fachhochschule Flensburg
http://www.fh-flensburg.de/isf/
3. MariLim
http://www.marilim.de
4.
DW-ShipConsult
http://www.dv-sc.de
5.
Büro für Umwelt und Küste
http://www.iczm.de
Entwicklung einer Ballastwasserbehandlungsanlage
- von der Medizintechnik in die Schiffsindustrie -
Kai Ahrendt1, Klaus Büttner2,
Markus Dube²,Thomas Meyer3, Erik Mielke³, Holger Watter4, Dietrich Wittekind5
Einführung
Um den teilweise umweltschädlichen Austausch von Ballastwasser von
Fracht- und Passagierschiffen in aller Welt zu vermeiden, müssen nach
Inkrafttreten der IMO-Ballastwasser Konvention von 2004 alle Schiffe mit einer
Bruttoraumzahl >400 BRZ mit einer Ballastwasserbehandlungsanlage ausgerüstet
sein.
Ein Konsortium aus fünf Projektpartnern hatte sich 2008 zum Ziel
gesetzt, eine derartige Anlage zu entwickeln. Die Grundlagentechnologie
cavipure® zur Wasseraufbereitung wurde am 31. Dezember 2008 dem
schleswig-holsteinischen Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr
in Kiel zur Förderung vorgestellt. Mit einer Entscheidung vom 23. Juli 2009
wurde das Vorhaben als förderwürdig erachtet. Am 10. September 2009 übergab das
Ministerium die Zuwendungsbescheide den beteiligten Projektpartnern.
Die cavipure® Technologie, eine Kombination aus
UV-Bestrahlung und Ultraschall, wurde für den Bereich Dialysewasseraufbereitung
in der Medizintechnik entwickelt. Das ursprüngliche Ziel der Entwicklung war
die Abtötung von Keimen und die Mineralisierung von Endotoxinen.
Das Wirkprinzip ist die Zerstörung von Zellstrukturen von Organismen in
wässrigen Flüssigkeiten (s. Abbildung 1). Der Reaktor hatte zum Zeitpunkt des
Beginns des Projektes nur eine Leistungsfähigkeit von 4 l/min. Nach IMO
Regelungen muss das kleinste zu behandelnde Volumen 200m³/h umfassen. Daher
galt es diese Technologie derart hoch zu skalieren, dass die IMO Vorgaben erreicht
werden. Es war geplant 4 Reaktoren zu je 50m³/h parallel zu betreiben, um die
geforderten 200m³/h zu erreichen.
Nach einer einjährigen Entwicklungszeit wurde der Prototyp einer 50m3/h
leistenden Ballastwasserbehandlungsanlage im Juli 2010 fertiggestellt und an
der Fachhochschule Flensburg erprobt. In Flensburg ist die Anlage direkt an das
Seewasserversorgungssystem des Laborprüfstandes an der Flensburger Förde
angeschlossen. Sie setzt sich zusammen aus den Komponenten Hydrozyklon als
Grobabscheider (Vorfilter), einem Automatik-Rückspülfilter als Feinfilter und
dem Reaktor.
Da die Konzentrationen von Organismen im
natürlichen Seewasser der Flensburger Förde starken Schwankungen unterliegen
können, wurden im Rohrsystem der
Testanlage Zudosierungsstellen eingerichtet, um die von der IMO geforderte
Eingangskonzentrationen im Größenbereich ≥50µm und ≥10µm bis
<50µm jederzeit sicher zu stellen. Für die Fraktion ≥50µm wurden
ausreichend Artemien in einem Intermediate
Bulk Container (IBC) in Seewasser der Flensburger
Förde gehältert. Für die Fraktion ≥10µm bis <50µm wurden Algen in
einem externen Labor gezüchtet. Die zum Versuchstag vorherrschenden Individuenkonzentrationen der Flensburger Förde wurden
durch überschlägige Zählungen unter Laborbedingungen durch ein
Stereo-Labormikroskop bestimmt. Daraus folgend wurden die Zudosierungsverhältnisse
der verschiedenen Fraktionen ermittelt. Die Zudosierungsstelle
wurde so gestaltet, dass sie:
a) möglichst nahe vor der Anlage liegt und
b) die Strömungsgeschwindigkeit im Zudosier-
und Hauptvolumenstrom annähernd gleich sind um physikalischen Stress zu
minimieren
Darüber hinaus wurden weitere Zudosierstellen eingebaut, um einzelne Komponenten der
Gesamtanlage auf ihre Leistungsfähigkeit zu testen.
Organische
Masse im gefilterten und konzentrierten Ballastwasser (a) |
Makroskopische
Nahaufnahme der organischen Masse (b) |
Mikroskopische Nahaufnahme der
organischen Masse (c) |
Abbildung 1: Durch die Behandlung im
cavipure®-Reaktor wird die organische Masse im gefilterten
Ballastwasser aufgeschlossen und fällt als Bodensatz aus (1a); in der Probe
sind keine Zellstrukturen identifizierbar (1b, c). (Fotos M. Dube/E. Mielke)
Biologische Tests
Die erste Entwicklungsstufe des Reaktors
mit einer Durchflussrate von 50m³/h war unterdimensioniert, da durch die hohe
Durchstromgeschwindigkeit die Verweildauer im Reaktorraum zu gering war. Anhand
von Durchflussströmungsmodellierungen wurde der Reaktor neu gestaltet. Dies
führte zu einem größeren Bauvolumen und zu einer geänderten Anordnung der
UV-Strahler und der US-Schwinger. Dieser modifizierte Prototyp erfüllte die
IMO-Vorgaben bereits während der ersten Versuche unter Berücksichtigung der
obligatorischen fünf Tage Hälterung des behandelten Wasser. Für die Testreihen
wurden je 1m³ mit drei Replikaten in lichtgeschützten IBC’s fünf Tage gehältert. Die drei
Versuchstanks mit dem behandelten Wasser wurden komplett ausgezählt, die drei
Kontrolltanks mit dem unbehandeltem Wasser nur auf eine ausreichende
Individuenkonzentration (IMO-Richtlinie) überprüft (s. Tabelle).
Tabelle: Testergebnisse mit dem 50m³/h
Reaktor
Probenahme (Organismen ≥50µm) |
|
lebende Organismen |
Eingangskonzentration (Zudosierung von Artemien) |
134.000 Ind./m3 |
|
nach Reaktor (Zeitpunkt t = 0) |
1 Ind./m3 |
|
nach 5 Tagen Hälterung |
0 Ind./m3 |
Die Fraktion ≥50µm (Zooplankton)
wurde unter einem Stereomikroskop in situ
ausgezählt. Für die Bestimmung der Fraktion zwischen ≥10µm und ≤50 µm
(Algen) wurden PAM-Analysen durchgeführt. Darüber hinaus wurden die
Planktonzellen unter einem Utermöhl Mikroskop
ausgezählt. Zur Absicherung der Ergebnisse wurden Wachstumsversuche
durchgeführt. Die PAM-Analyse ergibt auf Grund des Messprinzips keine eindeutigen
Aussagen über die Zelldichte im betrachteten Medium. Ebenso kann die Utermöhl Mikroskopie keine eindeutigen Ergebnisse liefern.
Die angewendeten Aufwuchsversuche ergaben kein
Wachstum des Phytoplanktons. Alle drei Untersuchungsmethoden liefern in
Kombination das Ergebnis, dass die Anlage die IMO-Richtlinie erfüllt.
Die Bestimmung der Keimzahl
(Fraktion <10µm) wurde von einem akkreditiertem Labor durchgeführt. Die
Ergebnisse der verschiedenen Auswertungsmethoden und deren Kombination
bescheinigen der Anlage eine hervorragende Wirkungseffektivität.
Aufgrund der guten Ergebnisse beim
Volumenstrom von 50m3/h wurde die Beaufschlagung der
Behandlungsanlage schrittweise erhöht. Im ersten Schritt auf 80m³/h und im
zweiten Schritt auf 140m³/h. Simulationsrechnungen ergaben, dass der Reaktor
auch bei einer Förderrate von 200m³/h die erwarteten guten Ergebnisse liefern
würde.
Anlage im Feldtest
an der Flensburger Förde
Für die 200m³/h-Tests musste die Versuchsinfrastruktur an der
Flensburger Förde umgebaut bzw. erweitert werden. Nach diesen Umbauten konnte
die Anlage nun mit 200m³/h beaufschlagt werden. Bei diesem 200m³/h Reaktor
(Abbildung 2) liegt die Anzahl der lebenden Individuen zum Zeitpunkt T=0 bei
ca. 250 und nach fünf Tagen Hälterung (Zeitpunkt T=5) bei weit unter 100. Dies
überschreitet die IMO-Richtwerte, so dass eine zweite Behandlungsstufe, die
während des Deballasten stattfindet, erforderlich ist.
Diese Versuche mit der Hälterung von 200m³ behandeltem
Wasser werden während der kommenden Monate stattfinden. Bei einer
Reaktor-Abbaurate von 99,798% wird der Grenzwert von <10 lebenden Individuen
in der Größenklasse ≥50µm rechentechnisch aber bereits erreicht.
Zurzeit werden die Einzelkomponenten (Hydrozyklon und
Automatikfilter) hinsichtlich Energieaufwand und -verluste optimiert, sowie die
Modularisierung und Konfektionierung in einem Standard-20"-Seecontainer
vorbereitet. Damit kann die Anlage ortsunabhängig und flexibel getestet bzw. im
Seebetrieb auf unterschiedlichen Schiffen eingesetzt werden (Abbildung 3).
Abbildung 2: Reaktor (Foto M. Dube)
Hydrozyklon Filter Reaktor
Abbildung 3: Röll 2013: Dimensionierung und Minimierung des
Raum- und Energiebedarfs einer Ballastwasserbehandlungsanlage mit
einer Kapazität von 200m³/h, Facharbeit FH Flensburg
Die Markteinführung wird für das Jahr 2014 erwartet.
Zurzeit werden aussichtsreiche Verhandlungen mit drei in der maritimen
Wirtschaft verankerten Konzernen geführt.
Zusammenfassung/Bewertung
Entwicklungsstufen:
Ø Prototyp I (2009)
Umnutzung eines bestehendes Gerätes aus der Trinkwasseraufbereitung
Erprobung der neuen Anwendung: Ballastwasserbehandlung
Energieeintrag: 0,4 kW; Förderrate: 4 L/min ; Reaktorvolumen: 4 L
Ø Prototyp II (2009 -
2010)
Erprobung neuer Ideen und Qualifizierung von Herstellern
Energieeintrag: 0,3 kW; Förderrate: bis zu 1,5 L/min ; Reaktorvolumen: 1 L
Ø Prototyp III (2010 -
2011)
Erste Anlage für die Behandlung großer Volumenströme
Energieeintrag: 2,4 kW; Förderrate: bis zu 50m3/h; Reaktorvolumen:
15 L
Ø Prototyp IV (2011-
heute)
Optimierung der Geometrie und Bauteile
Energieeintrag: 18,0 kW
Förderrate: bis zu 200 m3/h
Reaktorvolumen: 130 L
Energiebedarf 0,06 - 0,09 kWh/m³
Druckverlustt <0,5 bar
Als ein
nicht zu erwartendes Ergebnis dieser Entwicklung kann der geringe Energiebedarf
angesehen werden, da US-Technologien als hohe Energeiverbraucher angesehen
werden. Das geringe Bauvolumen bietet optimale Bedingungen für Nachrüstungen
und die Technologie ist unabhängig vom Salzgehalt des zu behandelnden Wassers
und robust gegenüber Trübung.
1
Büro für Umwelt und Küste, Kiel
2
Promedt Medizintechnik GmbH, Tornesch
3
MariLim, Schönkirchen
4
Fachhochschule Flensburg
5 DW-Ship Consult GmbH, Schwentinental